„Bei mir traut die sich das ja nicht.“ ― Ein Satz, den ich gerade als Berufsanfängerin mehr als genug gehört habe. Und nachdem sich bei mir immer ein großes schlechtes Gewissen ausbreitete, weil sich offensichtlich die Kinder meiner Gruppe bei meinen Kollegen „viel besser benahmen“ als bei mir und scheinbar keinen Respekt vor mir hatten. Sonst würden sie sich das ja schließlich nicht trauen, oder?
Inspiriert von dieser Podcast-Folge mit Corinnna Scherwath und Fea Finger möchte ich hier einige Gedanken dazu teilen: Zuerst einmal möchte ich mit dem Denkansatz aufräumen, dass pädagogisches Arbeiten nur dann gut ist, wenn alle Kinder „ganz brav“ und leise sind und „funktionieren“. Nur dann also, wenn die Fachkraft alles „im Griff“ hat und allein mit einem strengen Blick die Kinder ermahnen kann. Diese verstaubte, antiquierte Idee erinnert mich viel zu sehr an Bilder preußischer Klassenzimmer und Lehrer mit Rohrstock.
Qualitativ wertvolle Arbeit findet nämlich erst recht und auch dann statt, wenn Fachkräfte trotz all dem täglichen Chaos im Kindergarten mit den Kindern und mit sich in Verbindung bleiben und ein Fels in der Brandung sind. Unabhängig von der Lautstärke im Gruppenraum.
Darüber hinaus bin ich überzeugt davon, dass gerade im Kindergarten- und Grundschulalter Kinder ihren Respekt gegenüber Erwachsenen nicht darüber ausdrücken, dass sie „artig“ sind. ― Vielmehr glaube ich, dass Kinder sich immer dann etwas trauen, wenn sie auch vertrauen (können). Sie trauen sich, ihre Gefühle und ihre Innenwelt zu zeigen, wenn sie darauf vertrauen können, dass ihr Gegenüber dies auch halten kann und sie bedingungslos annimmt. Wenn sie sich nicht anpassen müssen, sondern einfach so sein dürfen, wie sie sind. Wenn sie sicher sein können, dass die pädagogische Fachkraft auch dann zu ihnen steht, wenn sie die „schlimmsten“ Seiten von sich zeigen.
Jessica Milburn, Entwicklungspsychologin, Autorin und Gründerin des Instagram-Accounts @responsive_parenting, schrieb in diesem Zusammenhang einmal sehr treffend: „Ein Kind, das traumatisiert wurde, wird manchmal, wenn es sich mit einer Bezugsperson verbunden fühlt, all seine Emotionen in deren Gegenwart offenbaren. Was aussieht wie ,Ablehnung‘ oder ,Konfrontation‘, ist möglicherweise ein Zeichen von Vertrauen.“
Der Satz „Bei mir traut die sich das ja nicht.“ bedeutet dann eigentlich „Mir vertraut die ja nicht.“ Aber das würde so ja niemand sagen … Deshalb möchte ich dich ganz ausdrücklich ermutigen: Mach’ dein Ding und lass’ dich nicht verrückt machen von alten und überholten Vorstellungen, die langsam echt in die pädagogische Mottenkiste gehören. ― Wir brauchen Fachkräfte wie dich.